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1. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 111

1900 - Essen : Baedeker
111 geschäfts übertragen hätten. Die Gewöhnung zur Buchführung muss beizeiten beginnen. Wer sich daran gewöhnt hat, „in den Tag hinein zu leben“, dem ist schwer mit der Buchführung beizukommen. 2. Mit dem Handwerk und Kleingewerbe ist ’s ein eigen Ding. Der Handwerksmeister ist kein Kaufmann und muss doch kauf- männischen Verpflichtungen nachkommen. Er muss der Werkstatt vorstehen und soll doch als feiner Geschäftsmann die Kunden be- dienen. Er soll nach jedermanns Geschmack die besten Waren liefern und doch geduldig auf Bezahlung warten. Da gilt es denn, die Vor- teile der kaufmännischen Geschäftsführung sich zu nutze zu machen, den Kredit zu erhöhen und in bescheidenen Grenzen sich auch des Wechselverkehrs zu bedienen. Die Buchführung aber muss der Rück- grat des ganzen Geschäftes sein. Für den Handwerker genügt in- dessen die einfache Buchführung, während sich grössere Kaufmanns- firmen der sogenannten doppelten Buchführung bedienen. Den Anfang der Buchführung muss die Aufnahme eines genauen Vermögensnach- weises bilden, indem man Vermögen (Aktiva) und Schulden (Passiva) einander gegenüberstellt. Die Aufstellung des Inventars ist notwendig, weil man nicht feststellen kann, wieviel man im Laufe eines Jahres verdient hat, wenn man nicht weiss, wie gross das Vermögen am Anfang des Jahres gewesen ist. Alsdann richtet man das Tagebuch, Kassa- und Hauptbuch ein. In das erstere schreibt man jeden vor- kommenden Geschäftsvorfall. In das Kassabuch gehören die baren Einnahmen und Ausgaben, welche man am Ende eines jeden Monats abschließt. Das Hauptbuch dient zur Aufnahme der Geschäftsvorfälle, die nicht durch Barzahlung erledigt werden. Am Ende des Jahres wird im Hauptbuch für jeden Kunden ein Abschluss gemacht und dann ein neues Inventar aufgestellt. Allerdings ist der Handwerker nicht in dem Masse wie der Kaufmann gesetzlich zur ordnungsmäßigen Buchführung verpflichtet; aber sein und seiner Familie Wohl kann unter Umständen von ein paar Geschäftsbüchern abhängen. Ohne eine übersichtliche, genaue Buchführung ist der Handwerker nicht im stände, seine Geschäfts- unkosten festzustellen, so daß er bei der Aufstellung von Kostenberech- nungen im Finstern tappt und leicht zu Schaden kommen kann. Legt eine Feuersbrunst Haus und Werkstatt in Asche, so kann der Meister nur mit Hilfe seiner Geschäftsbücher den Beamten der Feuer- versicherung beweisen, wie groß seine Vorräte an Werkzeugen, Roh- stoffen und Waren gewesen sind, welchen Schadenersatz er demnach zu fordern berechtigt ist (s. Nr. 102). Ist ein Kunde der Meinung, dass er eine Zahlung bereits geleistet habe, oder verlangt ein Gläubiger irrtümlich eine Zahlung, die der Meister schon beglichen hat, so stellen die ordentlich geführten Bücher leicht den Thatbestand fest. Ein Handwerker verschafft sich um so leichter Kredit bei Lieferanten und genossenschaftlichen Kassen, je leichter und klarer er nach- weisen kann, wie es mit seinen Vermögensverhältnissen bestellt ist. Segnet aber ein Meister das Zeitliche, so können seine Hinterbliebenen nur aus ordnungsmäßig geführten Büchern ersehen, wie sie Schuldnern und Gläubigem gegenüber gestellt sind. Verband der Bildungsvereine Rheinlands u. Westfalens.

2. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 130

1900 - Essen : Baedeker
130 4. vor Mißhandlungen der Gesellen schützen und darf ihn nicht übermäßig anstrengen; 5. er muß dem Lehrling die zum Besuch des öffentlichen Gottesdienstes und zu seiner Ausbildung notwendige freie Zeit gewähren und 6. ihm nach Beendigung der Lehrzeit ein Lehrzeugnis ausstellen. Der Lehrling übernimmt seinem Lehrmeister gegenüber folgende Pflichten: 1. dem Lehrherrn und dessen Ehefrau jederzeit Gehorsam, Hochachtung und Ehrfurcht zu erweisen; 2. sich der väterlichen Zucht des Lehrmeisters zu unterwerfen (in Abwesenheit des Meisters ist er auch dem stellvertretenden Gehilfen gegenüber zum Gehorsam verpflichtet); 3. wenn er im Hause des Meisters Kost und Wohnung hat, auch häusliche Arbeiten zu verrichten, soweit seine Ausbildung dadurch keinen Schaden erleidet ; 4. insbesondere den Weisungen des Lehrherrn in Bezug ans seinen Verkehr, den Besuch von Wirtshäusern und das Lesen verbotener Schriften unweigerlich Folge zu leisten (wenn der Lehrling diese Anordnungen nicht beachtet, kann er augenblicklich entlassen werden); 5. gern, willig und unverdrossen alle Aufträge des Meisters auszuführen und aufmerksam seinen Weisungen zu folgen, damit ein tüchtiger Handwerker aus ihm werde; 6. den sonntäglichen Gottesdienst und die Fortbildnngs- und Fachschule pünktlich zu besuchen. Nach Beendigung der Lehrzeit soll der Lehrling eine Gesellenprüfung ablegen. Die Innung und der Lehrmeister sind verpflichtet, den Lehrling zur Ablegung dieser Prüfung anzuhalten. Der Lehrling, welcher sich trotzdem dieser Prüfung nicht unterziehen sollte, hat dadurch für sein weiteres Fortkommen große Nachteile. Will er später selbständig werden, die Meisterprüfung ablegen, den Meistertitel führen und Lehr- linge ausbilden, so ist die vorherige Ablegung der Gesellenprüfung erforderlich; im andern Fall kann er diese Rechte nur durch fünfjährige selbständige Aus- übung seines Handwerks erwerben. In der Gesellenprüfung muß der Lehrling den Nachweis erbringen, daß er die in seinem Handwerke gebräuchlichen Handgriffe und Fertigkeiten mit genügender Sicherheit ausübt. Er muß sowohl über den Wert, die Beschaffen- heit, Aufbewahrung und Behandlung der zu verarbeitenden Materialien, als auch über die Kennzeichen ihrer guten oder schlechten Beschaffenheit ausreichend unter- richtet sein. Auch in der Buch- und Rechnungsführung muß er bewandert sein, falls er Gelegenheit hatte, sich diese Kenntnisse in einer Fortbildungsschule anzueignen. C. I. Korthaus. *113. Das Gewerbegerieht. 1. Wer an einen anderen einen Anspruch oder eine Forderung zu haben glaubt, deren gutwillige Erfüllung er nicht erreichen kann, dem steht es frei, das Gericht anzurufen, um durch dessen Hilfe zu seinem Rechte zu kommen. Zur Entscheidung von bürgerlichen Streitigkeiten sind im allgemeinen die sogenannten ordentlichen Gerichte berufen und zwar in unterster Instanz das Amtsgericht und das Landgericht. Auch die zahlreichen Streitigkeiten, die im gewerblichen Leben, z. B. zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, vorkommen, wurden in früheren Jahren ausschliesslich von den ordentlichen .

3. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 132

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132 Vorsitzenden auf die Erfüllung ihrer Obliegenheiten eidlich verpflichtet. Finden sie sich ohne genügende Entschuldigung zu den Sitzungen nicht recht- zeitig ein, oder entziehen sie sich ihren Pflichten in irgend einer Weise, so werden sie vom Vorsitzenden zu einer Ordnungsstrafe bis zu 300 Mark, so- wie in die verursachten Kosten verurteilt; indessen können sie dagegen beim Landgericht Beschwerde einlegen. Das Gewerbegericht verhandelt in der Regel in der Besetzung von drei Mitgliedern, nämlich dem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, von denen der eine ein Arbeitgeber, der andere ein Arbeiter sein muss, und tritt in den Fällen, in denen es zur Entscheidung von Streitigkeiten berufen ist, an die Stelle des ordentlichen Gerichts. Berufen ist es aber nur für diejenigen Streitigkeiten, welche entstehen: 1. über den Antritt, die Fortsetzung oder die Auflösung des Arbeits- verhältnisses, sowie über die Aushändigung oder den Inhalt des Arbeitsbuches oder Zeugnisses; 2. über die Leistungen und Entschädigungsansprüche aus dem Arbeits- verhältnisse, sowie über eine etwa vereinbarte Konventionalstrafe (ausgenommen, wenn die letztere für den Fall bedungen ist, dass der Arbeiter nach Been- digung des Arbeitsverhältnisses ein solches bei anderen Arbeitgebern eingeht oder ein eigenes Geschäft errichtet); 3. über die Berechnung und Anrechnung der von den Arbeitern für die Krankenversicherung zu leistenden Beiträge; 4. über die Ansprüche, welche auf Grund der Übernahme einer ge- meinsamen Arbeit von Arbeitern desselben Arbeitgebers gegeneinander er- hoben werden. In derartigen Streitigkeiten ist in den Orten, in welchen ein Gewerbe- gericht besteht, die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ausgeschlossen und an ihrer Stelle das Gewerbegericht zunächst ganz allein berufen, den Streit zu entscheiden, gleichgültig, wie hoch der Wert des strittigen Gegen- standes ist. Wenn dagegen ein zuständiges Gewerbegericht nicht vorhanden ist, so gehören jene Streitigkeiten nach wie vor vor das ordentliche Gericht. Bei Streitigkeiten, die unter 1. und 3. fallen, kann indessen jede Partei die vorläufige Entscheidung durch den Vorsteher der Gemeinde (Bürgermeister, Ortsvorsteher) nachsuchen, bei welcher es sein Bewenden be- hält, wenn nicht binnen 10 Tagen von einer der Parteien Klage bei dem ordentlichen Gerichte erhoben wird. — 2. In welcher Weise spielt sich nun ein Rechtsstreit vor dem Gewerbe- gerichte ab ? — Im Geschäfte des Schneidermeisters Gross arbeitet z. B. der Zuschneider Schenk gegen einen monatlichen, am letzten jeden Monats fälligen Lohn von 150 Mark. Bei der Lohnzahlung am 31. Mai erhält Schenk nur 100 Mark ausgezahlt; Gross behauptet nämlich, Schenk habe bei der vorher- gegangenen Lohnzahlung am 30. April einen Vorschuss von 50 Mark auf den Mailohn erhalten und demnach jetzt nur noch 100 Mark zu fordern. Schenk hat allerdings einmal einen Vorschuss erhalten, aber, wie er behauptet, nicht am 30. April, sondern am 31. März auf den Aprillohn, und dieser Vorschuss ist ihm bei der Lohnzahlung am 30. April schon angerechnet worden; für Mai hat er also den vollen Monatslohn zu beanspruchen. Dass es sich so verhält, weiss er ganz genau, weil er sich den am 31. März er- haltenen Vorschuss zur Deckung der am 1. April fälligen Vierteljahresmiete hatte zahlen lassen. Gross bleibt aber bei seiner Behauptung, obwohl er für

4. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 133

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133 ihre Richtigkeit aus seinen Büchern keinen Aufschluss erhalten kann; er ist nämlich nachlässig in der Führung seiner Bücher und schreibt nicht ordentlich an. Da eine gutwillige Zahlung nicht zu erreichen ist, so ist Schenk genötigt, die Hilfe des Gerichts anzurufen. Der Streitfall mit seinem Arbeitgeber ge- hört jedoch nicht vor das ordentliche, sondern vor das Gewerbegericht, und so lässt er bei der Gerichtsschreiberei des Gewerbegerichts seine Klage zu Protokoll nehmen. In wenigen Tagen erhält er vom Vorsitzenden des Ge- werbegerichts die Aufforderung, zur Verhandlung seiner Sache zu einer näher bestimmten Zeit zu erscheinen. Auch Gross hat eine solche Aufforderung erhalten, hat aber keine Lust, selbst vor dem Gewerbegericht zu erscheinen, sondern will einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Sache beauftragen. Dieser bedeutet ihm aber, dass Personen, welche das Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, als Prozessbevollmächtigte oder Beistände vor dem Gewerbegerichte nicht zugelassen werden. Gross muss also wohl oder übel seine Sache selbst vertreten. Würde er ausbleiben, so würde er ohne weiteres durch Versäumnisurteil nach dem Klageanträge verurteilt werden. Er zieht es deshalb vor, sich rechtzeitig zum Termin einzufinden. Schenk, der Kläger, trägt mit kurzen Worten den Sachverhalt vor und beantragt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 50 Mark und der Kosten des Verfahrens. Der Beklagte dagegen bestreitet die Ausführungen des Klägers und beantragt dessen kostenpflichtige Abweisung. Der Vorsitzende versucht nun zunächst, eine gütliche Beilegung der Sache herbeizuführen. „Wenn Herr Schenk,“ so etwa führt er aus, „sich mit solcher Bestimmtheit erinnert, den Vorschuss deshalb erbeten zu haben, um am 1. April seine Miete bezahlen zu können, dann wird er doch wohl im Rechte sein, meinen Sie nicht, Herr Gross? Wollen Sie ihm also die 50 Mark nicht lieber freiwillig zahlen? Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass, wenn die Parteien sich vor dem Gewerbegericht vergleichen, keine Gerichtskosten erhoben werden.“ Gross lehnt aber eine Einigung ab, und Schenk schiebt ihm nun einen Eid darüber zu, dass er einen Vorschuss auf den Monatslohn für Mai nicht empfangen habe. Gross schiebt den Eid zurück, und das Gericht beschliesst, dem Kläger Schenk den Eid abzunehmen. Nachdem dies geschehen ist, er- lässt das Gewerbegericht folgendes Urteil: „Der Beklagte Gross wird ver- urteilt, dem Kläger Schenk 50 Mark zu zahlen und die Kosten des Rechts- streits zu tragen.“ Bei diesem Urteil will sich Gross aber nicht beruhigen; da jedoch der Wert des Streitgegenstandes weniger als 100 Mark beträgt, so kann er nicht die Berufung an das Landgericht einlegen, sondern das Urteil des Gewerbegerichts ist in diesem Falle endgültig. Es bleibt ihm also nichts übrig, als den Kläger zu befriedigen, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen will, dass Schenk einen Gerichtsvollzieher mit der Einziehung be- auftragt. — 3. Bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über die Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Arbeits- verhältnisses fehlte es früher an einer Stelle, die geeignet und berufen war, die Vermittlung zwischen den streitenden Parteien in die Hand zu nehmen und darauf hinzuwirken, dass die für beide Teile mit schweren Opfern ver- bundenen Arbeitseinstellungen thunlichst vermieden oder, wo sie entstanden waren, möglichst rasch beseitigt wurden. Diesem Mangel wurde abgeholfen, indem man für solche Fälle die Rolle eines Einigungsamtes gleichfalls dem Gewerbegericht zuwies.

5. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 134

1900 - Essen : Baedeker
134 Als solches kann das Gewerbegericht aber nur dann in Thätigkeit treten, wenn es von beiden Teilen angerufen wird, und wenn die be- teiligten Arbeiter und Arbeitgeber Vertreter bestellen, welche mit der Ver- handlung vor dem Einigungsamt beauftragt werden. Das Einigungsamt ver- handelt in der Besetzung von vier Beisitzern neben dem Vorsitzenden, Arbeitgeber und Arbeiter in gleicher Zahl, und kann sich durch Zuziehung von Vertrauensmännern der Arbeitgeber und Arbeiter in gleicher Zahl ergänzen. Es vernimmt sodann die Vertreter beider Teile, stellt die Streit- punkte und die für ihre Beurteilung in Betracht kommenden Verhältnisse fest und versucht, eine Einigung zwischen den streitenden Teilen herbei- zuführen. Kommt eine Vereinbarung nicht zu stände, so giebt das Einigungs- amt einen Schiedsspruch ab. Die Beschlussfassung über den Schiedsspruch erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit. Stehen bei der Beschlussfassung über den Schiedsspruch die Stimmen sämtlicher für die Arbeitgeber zugezogenen Beisitzer und Vertrauensmänner denjenigen sämtlicher für die Arbeiter zu- gezogenen gegenüber, so kann der Vorsitzende sich seiner Stimme enthalten und feststellen, dass ein Schiedsspruch nicht erzielt worden ist. Ist aber ein solcher zu stände gekommen, so wird er den Vertretern beider Teile mit der Aufforderung eröffnet, sich binnen einer bestimmten Frist darüber zu erklären, ob sie sich ihm unterwerfen. Erklären sie sich innerhalb der bestimmten Frist nicht, so gilt die Unterwerfung als abgelehnt. Nach Ablauf der Frist erlässt das Einigungsamt eine öffentliche Bekanntmachung, welche der. abgegebenen Schiedsspruch und die darauf abgegebenen Erklärungen der Parteien enthält. Wird weder eine Vereinbarung noch ein Schiedsspruch er- zielt, so wird dies von dem Vorsitzenden öffentlich bekannt gemacht. Burehard. *114. Wie kommt der Handwerker zu seinem Gelde? 1. Wie der Handwerker zu seinem Gelde kommt? — Das ist doch eigentlich eine recht müßige Frage! Er schreibt seine Rechnungen und kassiert das Geld ein. Ganz richtig, wenn nur die Handwerker immer pünktlich ihre Rechnungen ausschrieben und alle Kunden ebenso pünktlich mit dem Bezahlen bei der Hand wären! Aber leider hat der Handwerker, mehr als ihm lieb ist, mit Leuten zu thun, die ihm nicht ohne weiteres sein wohlverdientes Geld hinzählen, sei es, daß sie überhaupt keine Freunde von Regel und Ordnung und deshalb auch nachlässig im Bezahlen ihrer Schulden sind, sei es, daß sie nicht bezahlen können, oder gar als unredliche Menschen nicht bezahlen wollen. Der Schreinermeister Streich war schon wenige Jahre, nachdem er sein Geschäft eröffnet hatte, rasch vorwärts gekommen; denn er suchte seine Ehre in der Billigkeit und in der Güte seiner Arbeit. Dem guten Rufe, den er sich auf diese Weise erworben, verdankte er es, daß beim Bau eines neuen Schulhauses die städtische Verwaltung unter vielen Bewerbern ihm die Lieferung der Schulbänke übertrug. Freilich mußte er sich verpflichten, die Bestellung bis zum 1. März des folgenden Jahres auszuführen. Um diesen Zeitpunkt einhalten zu können, sah er sich genötigt, einen zweiten Gesellen anzunehmen, einen größeren Vorrat Holz zu kaufen und dafür einen Lagerplatz zu mieten.. Der Holzhändler verlangte indessen für seine Lieferung sogleich eine größere Teilzahlung, und der Eigentümer des Lagerplatzes hatte sich vierteljährliche Vorausbezahlung der Miete ausbedungen. Da galt es, möglichst viel Geld

6. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 137

1900 - Essen : Baedeker
137 Am festgesetzten Tage erschien außer Streich und Vogt auch der Ober- meister vor dem Amtsrichter und gab sein Gutachten dahin ab: der Schrank sei gut gearbeitet; allerdings habe er sich etwas gezogen, und die Thüre schließe nicht genau; aber dies sei wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß er an einer feuchten Wand und auf einem unebenen Fußboden stehe; der geforderte Preis von 50 Mark sei angemessen. Vogt suchte noch einige Ein- wendungen zu machen; aber der Amtsrichter verurteilte ihn, seinem Gläubiger die geforderte Summe zu zahlen und die Prozeßkosten zu tragen. Auch wurde das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt. Streich hoffte nun, jetzt würde sich Vogt beeilen, seine Schuld abzu- tragen; aber dieser ließ nichts von sich hören. Infolgedessen erkundigte sich der Meister bei der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts, wie er sich zu ver- halten hätte. Hier wurde ihm auseinandergesetzt, rechtskräftig würde das Urteil erst mit Ablauf eines Monats nach der Zustellung an die Parteien; denn während dieser Frist könne dagegen Berufung an das Landgericht ein- gelegt werden. Da aber das Gericht das Urteil gegen Vogt für vorläufig vollstreckbar erklärt habe, so könne er es sogleich einem Gerichtsvollzieher übergeben und ihn beauftragen, die Summe von Vogt einzuziehen. Der Auftrag an den Gerichtsvollzieher wurde sogleich auf Streichs Wunsch durch den Gerichtsschreiber vermittelt, und nach wenigen Tagen erschien der Gerichts- vollzieher beim Inspektor Vogt und forderte ihn auf, seine Schuld zu zahlen. Vogt sah ein, daß ihm einige Möbel gepfändet werden würden, wenn er nicht bezahlte, und so entrichtete er die Schuldsumme, die der Gerichtsvoll- zieher sogleich dem Schreinermeister zusandte. 3. Nun hatte Streich noch eine ausstehende Forderung. Dem Kauf- mann Grube hatte er eine Wohnungseinrichtung geliefert, für welche dieser ihm 750 Mark schuldete; aber trotz wiederholter Mahnung war er nicht zur Zahlung zu bewegen gewesen. Meister Streich hatte, da sein Prozeß gegen den Inspektor einen so günstigen Verlauf nahm, seine Klage gegen Grube zu Papier gebracht und sie in der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts vorgelegt. Der Gerichtsschreiber. setzte ihm jedoch auseinander, daß die Klage gegen Grube nicht beim Amtsgericht, sondern beim Landgericht erhoben werden müsse; denn das Amtsgericht habe im allgemeinen nur in Prozessen zu entscheiden, i)et_ denen es sich um Summen bis zu.300 Mark haudle. Daher gehöre diese Sache vor die Civilkammer des Landgerichts. Dort könne er sie aber nicht selbst führen, sondern müsse einen Rechtsanwalt mit der Führung des Prozesses beauftragen. Die diesem zustehenden Gebühren müsse ihm, wenn er den Prozeß gewinne, der Gegner ersetzen. Meister Streich beauftragte darauf einen Rechtsanwalt, der ihm als zuverlässig geschildert wurde, mit der Führung des Prozesses gegen Grube. Aber Monate vergingen, ehe er sein Geld erhielt; denn Grube behauptete vor Gericht, Streich Hütte die Möbel nicht genau nach Bestellung geliefert. Darüber wurden Zeugen und Sachverständige vernommen, und als das Land- gericht endlich das Urteil fällte, sprach es dem Meister nur 650 Mark zu. Streichs Rechtsanwalt legte hiergegen Berufung ans Oberlandesgericht ein und erwirkte ein Urteil, durch welches Grube zur Zahlung von 750 Mark gezwungen wurde. Hierbei wollte sich Grube allerdings nicht beruhigen, sondern beim Reichsgericht Revision einlegen; sein Rechtsanwalt machte ihm aber klar, daß dies nur möglich sei, wenn der Streitgegenstand einen Wert

7. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 232

1900 - Essen : Baedeker
232 *165. Von Prozessen. 1. Die Prozesssucht scheint ein Erhübet des Menschengeschlechts zu sein. Sie war im Altertum wie in der Neuzeit vorhanden; sie fand und findet sich hei allen Völkern, gebildeten und ungebildeten, wie hei allen Ständen und Lebensaltern. Die heilige Schrift berichtet, dass Absalom, der Sohn des Königs David, um eine Verschwörung gegen seinen Vater anzuzetteln, seine Werbung hauptsächlich bei solchen an- brachte, welche ein Prozefsanliegen hatten. Zwei Bauern begannen eines Tages einen Prozess um den Besitz eines Nussbaumes, der mitten auf dem Paine zwischen zweien ihrer Felder stand. Der eine Bauer be- hauptete, sein Vater habe ihm hoch und heilig beteuert, der Nussbaum sei von seinem Grossvater gepflanzt worden; er habe deshalb das alleinige Anrecht auf den Baum. Ganz dasselbe behauptete auch der andere Bauer. Nachbarn, Freunde und Richter suchten die Gegner durch den Vorschlag zu einigen, dass jeder der Streitenden mit der Hälfte der jährlichen Früchte zufrieden sein und von dem Rechtsanspruch auf den ganzen Baum absehen möge; allein man predigte tauben Ohren. Der Prozess ivurde fortgeführt; er dauerte ein, zwei, drei Jahre; aber die Leidenschaft, Recht zu behalten, nahm mit den Jahren eher zu als ab; Gerichtssporteln und Geschenke ivanderten reichlich in die Schreibstuben der Anwälte. Da schien eines Tages der Himmel selbst über den thörichten Eigensinn der Streitenden un- gehalten zu werden; denn es zog ein Gewitter herauf, und nach einigen Donnenvorten aus den Wolken fuhr ein flammender Blitz auf den Nuss- baum nieder, teilte ihn gewissenhaft in zwei Hälften und legte jedem der unversöhnlichen Prozessierer seine Hälf te säuberlich auf seinen Acker hin. Da hatte denn jeder das Recht, das ihm gebührte. Leider aber waren um jene Zeit nicht einmal die Früchte des Baumes reif, und so blieb nach langjährigen, grossen Kosten nichts übrig, als dass jeder der Prozessierer seinen Teil vom Holz des Baumes nach Hause führte. Im Libanongebirge kam einst die Magd eines Drusen *) an einen Brunnen, um Wasser zu schöpfen. Zufällig erschien zu derselben Zeit eine Maronitenmagd, um ihren Krug zu füllen. Zwischen beiden ent- stand Streit. Die Drusenmagd rief ihre Leide zu Hilfe, die Maroniiin ihren Anhang. Dem Wortwechsel folgte ein Handgemenge und diesem ein Kampf zwischen Stamm und Stamm, der mehr Blut fließen machte, als die beiden Mägde von der Quelle Wasser holen wollten. 2. Die Leidenschaft des Prozessieren hat viel Ähnlichkeit mit der Leidenschaft des Spiels. Wie die Lawinen mit einer Handvoll Schnee, so fangen Prozesse häufig mit einem kleinen Gelüste, einer eiteln Rechthaberei an. Gar oft handelt es sich nicht darum, einen klaren Anspruch auf Hab und Gid ruhig zur Geltung zu bringen oder eine Ehrensache vor den Schranken des Gerichts maßvoll zu führen. Wie häufig hat ein Prozess ein zweifelhaftes Recht zur Unterlage, einen un- scheinbaren, lächerlichen Beweggrund zum Anlaß! Die Ehre, um welche gestritten wird, ist oft gar keine Ehre, und der Wertgegenstand, um dessen willen ganze Familien Hab und Gut verprozessieren, hat oft genug kaum den Wert des Zehrgeldes für den ersten Gang zum Advokaten. *) Drusen und Maroniten sind benachbarte Völkerschaften, zwischen denen religiöser Unterschiede wegen Feindschaft besteht.

8. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 412

1900 - Essen : Baedeker
412 und vor ihm lag ein Mann mit Weib und Kindern auf den Knieen, die um Gerechtigkeit zu flehen schienen. Ihm zur Rechten war eine große Wage ange- bracht, in deren einer Schale eine Bildsäule der Gerechtigkeit thronte, welche die andere, mit Akten angefüllte Schale hoch in die Höhe trieb. Zur andern Seite stand eine Gruppe preußischer Generale und Justizpersonen, und im Hintergründe Prangte in großen, leuchtenden Buchstaben die Inschrift: „Gerechtig- keitspflege des Königs von Preußen," darunter aber der Name Arnold. — Man sieht also, daß hier der berühmte Prozeß des Müllers Arnold*) gemeint war, der damals als Tagesneuigkeit in ganz Europa Aussehen erregte. Wem dennoch das Ganze hatte unverständlich bleiben mögen, denr hals ein Ausrufer zurecht, der die Geschichte laut und eindringlich hererzählte. Alles horchte und schien tief davon ergriffen zu sein. Mir aber hämmerte das Herz unterm dritten Knopfloch, so daß ich mich vor freudiger Wehmut kaum zu fassen wußte. Nein, es mußte heraus! Ich drängte mich in den innersten Kreis hervor, und, so gut oder übel ich die fremde Sprache zu radebrechen ver- stand, rief ich aus: „Mein König! Ich bin ein Preuße!" — Diese Worte fielen wie ein elektrischer Funke in aller Herzen. Die ganze Schar umringte mich, sank auf die Knie und hob die Hände zu mir empor. „Gloria dem König von Preußen!" rief der eine, „Heil ihm!" der andere, „Heil für'die strenge Gerechtigkeit!" und die Menge setzte hinzu: „Leuchtendes Beispiel für alle Regenten der Erde! Heil ihm!" — Mit jedem Augenblick vermehrte sich das Geschrei und Getümmel. Thränen drängten sich mir in die Augen. Ich dankte stammelnd und suchte einen Ausweg durch die Menge. Zwar machte man mir willig Platz; aber die Leute folgten mir mit anhaltendem Frendengeschrei: „Bivat der gerechte König!" Nie in meinem Leben fühlte ich mich glücklicher darüber, ein Unterthan des großen Friedrich zu sein, als in diesem Augenblick. Mit Mühe erreichte ich das Haus meines Geschäftsfreundes, ein Schweif von Menschen hinter mir, der sich mit jedem Augenblick vergrößerte und den König von Preußen laut hoch leben ließ. Ich erzählte meinen Gastfreunden das wundersame Begebnis und auch die Arnoldsche Prozeßgeschichte, so gut sie mir bekamt? war. Da holte einer der Anwesenden eine portugiesische Flugschrift herbei, die in einer treuen Dar- stellung des Prozesses dem gerechtesten der Könige auch bei einem entfernten Volk ein verdientes Ehrendenkmal setzte. Joachim Neitàck. 350. Der Bruder Redner. In den Schreckenszeiten der französischen Revolution kam auch in das abgelegene Steinthal im Eisass der Befehl der französischen Regierung, die gewöhnliche gottesdienstliche Feier solle aufhören; die Steinthaler sollten sich einen Vorsitzenden wählen, und dieser solle einen Bruder Redner ernennen. An gewissen Tagen sollten dann Versammlungen gehalten werden, bei denen der Bruder Redner gegen die Tyrannen sprechen und über deren Abschaffung sich mit der Gemeinde beraten solle. Selbst im Steinthale, wo damals Vater Oberlin**) als Pfarrer in vollem Segen wirkte fehlte es damals nicht an Leuten, *) Bekannt durch seinen Prozeß gegen seinen Erbpachtherrn; Friedrich der Große nahm sich des nach seiner Meinung widerrechtlich Verurteilten an, indein er den Prozeßgegner nebst den Richtern zur Entschädigung und Gefängnisstrafe verurteilte. Eine nach des Königs Tode vorgenommene Revision ergab die Unschuld der Betroffenen; Arnold wurde aus der Staats- kasse entschädigt. **) Geboren 1740 zu Straisburg, machte sich um die geistige und wirtschaftliche Hebung des Steinthals sehr verdient. Gestorben 1826.

9. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 424

1900 - Essen : Baedeker
424 wollen, und die Wahlmänner schreiten dann an einem zweiten Wahltage zur Wahl der Abgeordneten. Man bezeichnet diese Art der Wahl als indirekte. Die Urwahl erfolgt nach dem sogenannten Dreiklassensystem. Sämt- liche Wähler eines Urwahlbezirkes werden nämlich nach den von ihnen auszubringenden, direkten Staats-, Gemeinde-, Kreis-, Bezirks- und Provinzial- steuern so in drei Abteilungen eingeteilt, dass auf jede Abteilung ein Drittel der Gesamtsumme dieser Steuern entfällt. Auf diese Abteilungen wird die Anzahl der zu wählenden Wahlmänner gleichmässig verteilt; auf jede Voll- zahl von 250 Seelen kommt ein Wahlmann. Urwähler wie Wahlmänner geben ihre Stimmen öffentlich durch mündliche Erklärung zu Protokoll. Wählbar als Wahlmann ist jeder Urwähler in seinem Bezirke, als Abgeordneter jeder Preuße, der dem Staatsverbande bereits seit einem Jahre angehört, das 30. Lebensjahr vollendet hat und sich im Vollbesitze der bürgerlichen Ehrenrechte befindet. 2. Welche Aufgabe haben denn nun die Abgeordneten? Die 433 Mit- glieder, welche das Abgeordnetenhaus ausmachen, haben neben dem Herren- hause das preussische Volk zu vertreten und bei den wichtigsten Begier ungs- liandlungen, namentlich bei dem Erlass von Gesetzen mitzuwirken. Die Abgeordneten werden jedesmal für 5 Jahre gewählt; ist diese Zeit vorüber, so finden Neuwahlen statt. Die erste Kammer, das Herrenhaus, setzt sich nicht aus gewählten Mitgliedern zusammen, sondern wird aus den grossjährigen Prinzen des Königlichen Hauses und aus Mitgliedern gebildet, welche mit erblicher Berechtigung (z. B. Angehörige altadeliger Familien) oder ohne solche (z. B. Vertreter grosser Städte) vom Könige berufen sind. Beide Kammern zusammen machen den Preussischen Landtag aus. Ihre Mitglieder, welche Treue und Gehorsam gegen den König und gewissen- hafte Beobachtung der Verfassung zu beschwören haben, sind Vertreter des ganzen preussischen Volkes. Sie stimmen nach ihrer freien Überzeugung und sind an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden. Für ihre Ab- stimmung und ihre innerhalb der Kammer ausgesprochenen Meinungen können sie ausserhalb derselben niemals zur Bechenschaft gezogen werden. Sie gemessen besonderen strafrechtlichen Schutz; denn sie können nur unter besonderen Voraussetzungen verhaftet und zur Untersuchung gezogen werden. Auch wird der Versuch, eine gesetzgebende Versammlung gewaltsam zu beein- flussen, mit Zuchthaus bestraft. Der Landtag tritt regelmässig in dem Zeitraum von Anfang des Monats November jeden Jahres bis zur Mitte des folgenden Januar zusammen; ausserdem wird er einberufen, so oft es die Umstände erheischen. Der König beruft den Landtag, vertagt ihn, wenn eine vorübergehende Unterbrechung der Beratungen stattfinden soll, und schliefst ihn, wenn die Arbeiten erledigt sind. Die Beratungen beider Häuser finden, abgesehen von einigen Aus- nahmen (z. B. Eröffnung und Schliessung), getrennt statt und sind regel- mässig öffentlich. Wahrheitsgetreue Berichte über Landtagsverhandlungen sind von jeder Verantwortlichkeit frei. Die gesetzgebende Gewalt wird in Preussen gemeinschaftlich durch den König und die beiden Häuser des Landtages ausgeübt. Dem Könige, sowie jeder Kammer steht das Beeilt zu, Gesetze vorzuschlagen. Der Landtag hat sämtliche Gesetzentwürfe zu prüfen und durchzuberaten. Diejenigen Be- stimmungen, über welche eine Übereinstimmung beider Kammern erzielt ist,

10. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 440

1900 - Essen : Baedeker
440 Frankenreich faßte die wichtigsten deutschen Stämme zu einer großen Ge- meinschaft zusammen, in welcher das Christentum die herrschende Religion wurde. Damals begann die Aufzeichnung der geltenden Rechte in Gesetz- büchern. Aber nur ans dem Gebiete der Staatsverwaltung schufen die Verordnungen der fränkischen Könige eine gewisse Rechtseinheit, während für den engeren Lebenskreis des einzelnen Bürgers und seiner Verkehrsgeschäfte vielfach große Verschiedenheit im Recht herrschte. Nach der Teilung des Frankenreichs (im Vertrage von Verdun 843) ging im deutschen Lande die Entwickelung des Rechts ihren eigenen Weg. Die alten Gesetzbücher gerieten in Vergessenheit; brauchbares Neue verstand man nicht an ihre Stelle zu setzen, und so bestand in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters eine unübersehbare Rechtszersplitterung. Fast jedes kleine Gebiet des politisch zerrissenen Reiches bildete sein besonderes Recht aus. Kundige Männer suchten zwar durch Privataufzeichnungen über das bürger- liche Recht der Verwirrung zu steuern, so vor allem der Ritter Eike von Repkow durch seinen „Sachsenspiegel" (um 1230, s. Nr. 263); aber auch damit wurde nicht dauernd Abhilfe geschaffen. Endlich nahm man ein fremdes Recht, das römische, zum Ersätze des heimischen an. Warum das römische Recht? — Die Römer hatten es wie kein anderes Volk verstanden, mit Hilfe von klugen Gesetzgebern und geistvollen Rechtsgelehrten ein planmäßig durchdachtes und besonders für die Geschäfte des bürgerlichen Verkehrs praktisches Recht auszugestalten. Dieses Recht, welches in dem weiten Gebiete des römischen Weltreiches galt, hatte der Kaiser Justinian I. (527—565) in einem bürgerlichen Rechtsbuch aufzeichnen lassen. Die damaligen Rechtsschulen, namentlich die berühmten italienischen, legten nun dieses Buch ihrem Unterrichte zu Grunde, und auch die zahlreichen Deutschen, die in Italien die Rechtswissenschaft studierten, wurden im römischen Rechte unterwiesen und suchten es dann in der Heimat als Amtsleute, Sach- walter und Richter anzuwenden. Allmählich wurde es auch an den deutschen Hochschulen gelehrt. Dazu kam die im Mittelalter herrschende Anschauung, daß vas „heilige römische Reich deutscher Nation" eine Fortsetzung des römischen Reiches, der deutsche Kaiser also Nachfolger des römischen sei, und so gewöhnte man sich daran, auch das Rechtsbuch Justinians, obwohl es in lateinischer und griechischer Sprache verfaßt war, als deutsches Reichsrecht zu betrachten, und im 15. Jahrhundert begann das römische Recht an den deutschen Gerichten die Oberhand zu gewinnen. Wohl machte sich noch lange das Widerstreben weiter Volkskreise gegen die Neuerung bemerkbar; aber da Fürsten, Gelehrte und Staatsmänner das römische Recht schirmten, so war seine Aufnahme um die Mitte des 16. Jahrhunderts vollendete Thatsache. Nun hatte man ein „gemeines" (d. h. gemeinsames), aber dennoch weder ein einheitliches noch ein gewisses Recht. Kein einheitliches Recht; denn das besondere Recht der einzelnen Gebiete ging dem gemeinen vor, und nach dem Spruche „Landrecht bricht Reichsrecht" konnte jeder Landesherr für sein Land, jede Stadt für ihr Weichbild besondere Gesetze geben. Kein gewisses Recht; denn die fremden Vorschriften paßten nicht immer für das deutsche Leben; die Streitfragen über Auslegung und An- wendung des fremdsprachigen Rechtsbuches mehrten sich deshalb, und die Prozesse wurden oft viele Jahre lang verschleppt. 2. In Preußen wurden zur Zeit der letzten Kurfürsten und unter den beiden ersten Königen mehrere ziemlich erfolglose Anläufe zur Abfassung eines
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